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Friedrich Hölderlin
Wie wenn am Feiertage ...
(1800)

Wie wenn am Feiertage, das Feld zu sehn,
Ein Landmann geht, des Morgens, wenn
Aus heißer Nacht die kühlenden Blitze fielen
Die ganze Zeit und fern noch tönet der Donner,
In sein Gestade wieder tritt der Strom,
Und frisch der Boden grünt
Und von des Himmels erfreuendem Regen
Der Weinstock trauft und glänzend
In stiller Sonne stehn die Bäume des Haines:

So stehn sie unter günstiger Witterung,
Sie die kein Meister allein, die wunderbar
Allgegenwärtig erzieht in leichtem Umfangen
Die mächtige, die göttlichschöne Natur.
Drum wenn zu schlafen sie scheint zu Zeiten des Jahrs
Am Himmel oder unter den Pflanzen oder den Völkern
So trauert der Dichter Angesicht auch,
Sie scheinen allein zu sein, doch ahnen sie immer.
Denn ahnend ruhet sie selbst auch.

Jetzt aber tagts! Ich harrt und sah es kommen,
Und was ich sah, das Heilige sei mein Wort.
Denn sie, sie selbst, die älter denn die Zeiten
Und über die Götter des Abends und Orients ist,
Die Natur ist jetzt mit Waffenklang erwacht,
Und hoch vom Äther bis zum Abgrund nieder
Nach festem Gesetze, wie einst, aus heiligem Chaos gezeugt,
Fühlt neu die Begeisterung sich,
Die Allerschaffende, wieder.

Und wie im Aug' ein Feuer dem Manne glänzt,
Wenn hohes er entwarf; so ist
Von neuem an den Zeichen, den Taten der Welt jetzt
Ein Feuer angezündet in Seelen der Dichter.
Und was zuvor geschah, doch kaum gefühlt,
Ist offenbar erst jetzt,
Und die uns lächelnd den Acker gebauet,
In Knechtsgestalt, sie sind erkannt,
Die Allebendigen, die Kräfte der Götter.

Erfrägst du sie? im Liede wehet ihr Geist
Wenn es der Sonne des Tags und warmer Erd
Entwächst, und Wettern, die in der Luft, und andern
Die vorbereiteter in Tiefen der Zeit,
Und deutungsvoller, und vernehmlicher uns
Hinwandeln zwischen Himmel und Erd und unter den Völkern
Des gemeinsamen Geistes Gedanken sind,
Still endend in der Seele des Dichters,

Daß schnellbetroffen sie, Unendlichem
Bekannt seit langer Zeit, von Erinnerung
Erbebt, und ihr, von heilgem Strahl entzündet,
Die Frucht in Liebe geboren, der Götter und Menschen Werk
Der Gesang, damit er beiden zeuge, glückt.
So fiel, wie Dichter sagen, da sie sichtbar
Den Gott zu sehen begehrte, sein Blitz auf Semeles Haus
Und die göttlichgetroffne gebar,
Die Frucht des Gewitters, den heiligen Bacchus.

Und daher trinken himmlisches Feuer jetzt
Die Erdensöhne ohne Gefahr.
Doch uns gebührt es, unter Gottes Gewittern,
Ihr Dichter! mit entblößtem Haupte zu stehen,
Des Vaters Strahl, ihn selbst, mit eigner Hand
Zu fassen und dem Volk ins Lied
Gehüllt die himmlische Gabe zu reichen.
Denn sind nur reinen Herzens,
Wie Kinder, wir, sind schuldlos unsere Hände,

Des Vaters Strahl, der reine, versengt es nicht
Und tieferschüttert, die Leiden des Stärkeren
Mitleidend, bleibt in den hochherstürzenden Stürmen
Des Gottes, wenn er nahet, das Herz doch fest.
Doch weh mir, wenn von

Weh mir!

Und sag ich gleich,

Ich sei genaht, die Himmlischen zu schauen,
Sie selbst, sie werfen mich tief unter die Lebenden,
Den falschen Priester, ins Dunkel, daß ich
Das warnende Lied den Gelehrigen singe,
Dort


Der unvollendete Hymnus "Wie wenn am Feiertage ..." wurde von Hölderlin im Jahr 1800 niedergeschrieben im Stuttgarter Foliobuch, S. 28-34, in zwei strophischen Entwürfen und einer Prosaskizze. Vorgesehen waren von Hölderlin 9 Strophen, die formal geordnet sein sollten nach dem Muster abc abc abc. Erstmals veröffentlicht wurde eine Kompilation 1910 von Stefan George und Karl Wolfskehl. 1916 publizierte Hellingrath den Text in der heute verbreiteten Fassung und mit dem Titel aus der Anfangszeile in seiner Werkausgabe Hölderlins.

Anfang 1800 war Hölderlin intensiv mit Pindar-Übersetzungen, ab Mai 1800 mit der Übersetzung der Tragödie "Die Bacchen" von Euripides beschäftigt. Das spiegelt sich in diesem Text deutlich wider, denn formales Vorbild war offensichtlich die griechische Chorlyrik. Und damit eine Form, die als Hintergrund eines theatralischen Geschehens den allgemeinen Rahmen einer Handlung, Erläuterungen und Kommentare dazu bekannt gibt und erzählt. Und so hebt dieses Gedicht auch inhaltlich mit Analogien zur antiken Chorlyrik an, in epischer Breite, mit der berühmten knappen Skizze einer ganzen Epoche, einer schon zu Hölderlins Zeiten vom technologischen Fortschritt in Frage gestellten Lebensform: "Wie wenn am Feiertage, das Feld zu sehn, der Landmann geht, des Morgens". Dies geschieht im Konjunktiv, markiert durch das einführende "wie wenn". Damit klingt zugleich an, dass verloren sein könnte, was hier nun entworfen wird, dass wir einer Legende aus vergangenen Zeiten lauschen.

Diese Zeiten sind gezeichnet durch Bilder üppiger Natur und keimender Fruchtbarkeit. Hauptperson ist "die Natur", der Mensch nur Gast, Zuschauer im "wie wenn", zunächst als "Landmann", dann als "ich", welches in der dritten Strophe auftritt. Der "Feiertag" folgt auf einen Gewittersturm, der Regen gebracht hatte. Nun sind die Flüsse wieder beruhigt, das Hochwasser vorbei, die Äcker und Weinberge gedeihen nach dem erfrischenden Regenguss in der "stillen" Sonne. Das erinnert an den Beginn der "Bacchen", den Auftritt des Dionysos, die Bacchanalien sind abgemildert zu einem "wie wenn" Feiertag, die Blitze und der Donner des Zeus sind verzogen, nur noch der Weinstock steht ein für Dionysos.

*

Die erste Triade von Hölderlins "Wie wenn am Feiertage" stellt die Natur in den Mittelpunkt, die Natur als Wirkmacht, die noch über den Göttern des Orients und des Okzidents regiere. Die Natur, so heißt es in der zweiten Strophe, schlafe, was die Dichter trauern lasse, da ihnen die beseligende Kraft fehle. Doch dann erwacht die Natur in der dritten Strophe "mit Waffenklang", und die Dichter werden aufgerufen, es ihr gleich zu tun, wie die zweite Triade dann ausführt.

Hier wird gleich zu Beginn deutlich, dass "Taten der Welt" gemeint sind mit dem Werk der Natur, ihrem Erwachen. Es geht nicht um eine Allegorie des Frühlings hier, die erwachende Natur hat mit Geschichte und menschlichem Handeln, mit Politik und Gesellschaft zu tun. Anders wäre die vierte Strophe nicht zu verstehen. "Ein Feuer" sei "angezündet in Seelen der Dichter" und die Seele des Dichters nun aufgerufen zum "Gesang", der sowohl Götter als auch Menschen Werk offenbaren, preisen und verbreiten soll.

Ungeheuer wird der Anspruch dann in der letzten Triade. Der Prometheus-Mythos vom Lichtbringer wird in einem kühnen Bild zitiert: "daher trinken himmlisches Feuer jetzt/Die Erdensöhne ohne Gefahr". Und an den Dichtern sei es, die Botschaft des Zeus unters Volk zu bringen. Welche Botschaft? Zeus bringt Donner und Blitz, und wie wir in der Eingangsstrophe erfahren haben, bedeutet dies neue Fruchtbarkeit, "Feiertag" nach dem Sturm. Die Dichter also sollten den Sinn des Sturms aufklären und vermitteln.

Das Bild des Dichters ist eine Neuauflage des "poeta vates", des Dichters als Seher, Prophet, Künder, Botschafter der Götter - historisch prägend formuliert zuerst in Platons Dialog "Ion".

Wir dürfen vermuten, dass hier von Hölderlin ein Hymnus auf die französische Revolution (den "Sturm") und den politischen Aufbruch im Allgemeinen intendiert ist. Wobei die Bezüge zur Antike, zu einer vergöttlichten Natur und zu religiös-heilsgeschichtlichen Kategorien sicherlich von essentieller Bedeutung sind und nicht nur rhetorisches Mittel. Wie Hölderlin mit diesen Bezügen arbeitet, verdankt sich allerdings auch der Zensur und politischen Kontrolle in seinem Umfeld. Seine höchst verhüllende Ausdrucksweise macht den Text unzugänglich. Und letztlich scheiterte Hölderlin an seinem Anliegen literarisch, der Text blieb Fragment. Persönlich wurde er 1805 des politischen Hochverrates verdächtigt, auf Grund seiner Freundschaft mit Isaac von Sinclair. Beiden wurde, mit weiteren Freunden Sinclairs, Sympathie für die französische Revolution und konkret die Planung eines Attentates auf den Württembergischen Kurfürsten Friedrich I. vorgeworfen.

Die Ermittlungen gegen Hölderlin wurden wegen seines zerrütteten Geisteszustandes eingestellt. U.a. habe er während des Verfahrens mehrmals ausgerufen "Ich will kein Jacobiner sein" und Sinclair vollkommen unsinnig belastet. Sinclair wurde einige Wochen später vom Hochverratsvorwurf freigesprochen.


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